Ich möchte in diesem Beitrag auf die Neurolinguistische Programmierung (NLP) eingehen. Anders als der Name vermuten lässt, geht es hierbei nicht um Computer. Aber dennoch hat es etwas mit meinem Blog zu tun: es wird häufig in IT-Security Foren erwähnt, wenn es um Social Engineering geht (sagt “Hallo” zur neuen Kategorie “Social Engineering” auf dem Blog!).
Für Leute, denen der Begriff absolut nichts sagt:
Neurolinguistische Programmierung (kurz NLP) bezeichnet die Idee, dass der Mensch anhand von Reiz-Reaktions-Ketten funktioniert und diese neu gestaltet werden könnten. Geändert werden soll das eigene Verhalten durch Analyse des alten Verhaltens und „Programmieren“ von neuen Reaktionen. Der Schwerpunkt des NLP liegt bei Kommunikationstechniken und Mustern zur Analyse der Wahrnehmung. Das Ziel ist eine erfolgsorientierte Kommunikation.
Auf dem ersten Blick hört sich das absolut super an. Als ich vor einigen Jahren darauf stieß (und soweit ich mich erinnern kann, war es damals in den ITS Foren kaum bekannt) war ich ganz heiß darauf, alles darüber in Erfahrung zu bringen. Den Ansporn dazu gab mir vor allen Dingen der Zauberkünstler Derren Brown, welcher in einigen seiner Auftritte behauptet, per NLP Menschen manipulieren zu können. Nach so einer genialen Show, wer hat da nicht Interesse an NLP?
Nun, Derren Brown ist allerdings auch ein Skeptiker. Er erklärt in einem Interview mit Prof. Dawkins, was für Tricks Leute verwenden, die von sich behaupten, übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen. Er zeigt ganz gut, dass man mit einer angeblichen Begründung, die Leute schnell hinter’s Licht führen kann. Vielleicht trifft das ja auch auf seine eigene Aussage zu, dass er NLP verwendet? Deswegen will ich mich hier mit NLP kritisch auseinandersetzen:
Wenn man nach NLP googled, dann findet man zahlreiche Webseiten, die Werbung für NLP Seminare machen. NLP hat sich bisher nach einer ernsten Wissenschaft angehört; aber die Resultate erwecken den Anschein, dass:
- a) die Leute das Wissen um NLP kommerziell vermarkten wollen
- oder b) das NLP nur Blödsinn ist.
Weiterhin heißt es auf Wikipedia:
NLP ist in Abgrenzung von der wissenschaftlichen Psychologie im Zuge von New Age und des Human-Potential-Movements entstanden.
Dass es daraus entstanden ist, hat vielleicht nicht viel zu sagen. Aber dass es in Verbindung mit “New Age” gebracht wird, ist ein Schlag ins Gesicht, was der Wissenschaftlichkeit des NLP angeht. Es heißt zwar an einigen Stellen, dass NLP nicht den Anspruch erhebt, wissenschaftlich begründet zu sein; dafür machen die NLPler aber Behauptungen, die wissenschaftlich geprüft werden können.
Da NLP Anfang der 70er Jahre entwickelt wurde, gab es bereits so einige skeptische Wissenschaftler, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Um uns die Kritik anzuschauen, sollten wir erstmal wissen, was für Behauptungen NLP aufstellt. Einer der Kernthesen des NLP nennt sich “preferred representational system” (PRS) und behauptet, dass Personen sich (intern) im Kopf eine Landkarte konstruieren. Dies geschieht durch die Verarbeitung von externen Informationen, die durch fünf “Sinnessysteme” wahrgenommen werden: durch die visuelle Wahnehmung, die auditive Warnehmung, das Kinästhetische (im Rahmen des NLP sind hierbei alle Gefühle gemeint), das Riechvermögen sowie dem Geschmackssinn. Es wird weiterhin behauptet, dass das Bewusstsein einer Person eines der erwähnten “Sinnessysteme” überwiegend benutzt (zu einer gegeben Zeit). Außerdem soll sich das Bevorzugen dieses Systems auf die Sprechweise auswirken. Beispiel: Wenn sich eine Person gerade überwiegend im visuellen Zustand befindet, benutzt sie Satzanfänge wie “Ich sehe nicht, wieso…” oder “Es sieht so aus, als ob…”.
Die Gründer Bandler und Grinder behaupteten im Jahre 1979 außerdem, dass man diesen Zustand aus den Augenbewegungen ablesen kann. Beispielsweise sei der kinästhetische Zustand daran zu erkennen, dass die Person nach rechts unten schaut.
Aus der Annahme, dass jede Person eine eigene Vorstellung von der Welt hat, folgt dass Personen eine andere Vorstellung von der Welt haben. Deswegen soll man sich dem verbalen sowie dem non-verbalen Verhalten des Gegenüber anpassen, um die effektivste Kommunikation zu ermöglichen.
Das zu den Kernthesen von NLP. Welche Kritik gibt es dazu? Allgemein gilt: Wenn man eine Behauptung aufstellt, muss man diese begründen und stützen können. Die Beweislast liegt also bei demjenigen, der die Behauptung aufstellt. Was sind also die Beweise für die Kernaussagen von NLP?
Falls die Behauptungen von Bandler und Grinder begründet wären, dann wäre es richtig zu sagen, dass sie einen Grundstein des menschlichen Bewusstseins entdeckt hätten. Sie machen Aussagen die einfach empirisch überprüft werden können. Und in den 30 Jahren seitdem die Behauptungen aufgestellt wurden, sollte es genug Beweise für die Thesen geben, damit diese im Psychologie Fachbereich an Universitäten rund um den Globus gelehrt werden können. Drei Jahrzehnte später ist jedoch festzustellen, dass NLP in fast kompletter Isolation vor veröffentlichten Beweisen existiert. Die Kernaussagen von NLP aus den 70ern wurden größtenteils bereits in den 80ern angezweifelt. Sharpley (1984) hat sich die Forschung um NLPs Aussagen über PRS angesehen, und kommt zu dem Schluss, dass es nur wenig Beweise gibt, und vieles dagegen spricht.[1]
Vernichtende Worte gibt es auch hier zu hören:
Objektive empirische Studien und Berichte haben konsequent gezeigt, dass NLP anständigen Überprüfungen nicht Stand hält. Berichte und Meta-Analysen haben NLP einen eindeutige negative Bewertung gegeben und bestätigen wiederholt die Aussage, dass keine neurowissenschaftlichen Grundlagen (oder jegliche anderen wissenschaftlichen Grundlagen) für die Behauptungen von NLP existieren.[2]
Es gibt also keinen Grund anzunehmen, dass NLP funktioniert.
Schauen wir uns nun die genaueren Behauptungen der NLPler an, und schauen uns die Beweislage dafür an. In einer der üblichen PDFs von einer Seite die für NLP wirbt, heißt es über das “Ankern”:
Die Technik des Ankerns geht zurück auf die Arbeit über den bedingten Reflex von Ivan Pawlow und das Konzept der Konditionierung aus dem Behaviorismus.
Unser Gehirn, bzw. Nervensystem speichert in allen Situationen, in denen wir intensive Gefühle (positive wie negative) haben, alle Umgebungswahrnehmungen mit ab. Wird dann später eine dieser Umgebungswahrnehmungen wiedererkannt, löst das Unbewusste wieder die Emotion aus.
Die Umgebungsreize, die zum Zeitpunkt der Emotion aufgetreten sind, werden quasi als Auslöser für die Emotion in der Neurologie verankert. Dieser Prozess läuft immer ab. Alles Lernen beruht auf dem Konzept des Ankerns. [4]
Um es anders auszudrücken: Man will z.B. ein bestimmtes Gefühl jederzeit abfrufen. Dafür versucht man das Gefühl so intensiv wie möglich zu erleben, und dann ein Schlüsselreiz zu setzen (wie z.B. die Berührung eines Körperteils). Nun kann man mit dem Schlüsselreiz angeblich das Gefühl jederzeit wieder auslösen (gut demonstriert in dem Video von Derren Brown, das oben verlinkt ist). Der Psychologe Christoph Bördlein sagt dazu:
Das klingt zwar nach Pawlow und klassischem Konditionieren, jedoch nur auf den ersten Blick. – Tatsächlich gibt es keinen Lernmechanismus, der so funktionieren könnte. Allenfalls hat ein solches Vorgehen symbolischen Wert.[3]
Eine weitere (und oben bereits erwähnte) berühmte Behauptung ist folgende:
Augenzugangshinweise
Eine weitere Möglichkeit, herauszufinden, in welchem Sinnessystem mein Kommunikationspartner denkt, ist das Konzept der Augenzugangshinweise. Wir haben im NLP herausgefunden, dass etwa 70% der rechtshändigen Mitteleuropäer ihre Augen in unten angeführte Richtungen bewegen, wenn sie nach innen gehen, um Informationen in einem bestimmten Sinnessystem abzurufen. Die restlichen 30% haben auch ein konsistentes Muster, das aber individuell kalibriert (=bestimmt) werden muss. [4]
Dr. Bördlein ist auch skeptisch gegenüber dem:
Auch spätere Grundlagenforschung zu NLP wirft ein bezeichnendes Licht auf die magere theoretische Basis. Z.B. kann die “Augenbewegungshypothese” des NLP als widerlegt gelten (vgl. Bliemeister, 1988). Nach Auffassung des NLP lassen sich aus der Richtung, in die eine Person beim Denken blickt, Rückschlüsse auf ihren Denkstil (oder das von ihr benutzte “Repräsentationssystem”) ziehen Jedoch ließ sich kein wie auch immer gearteter Zusammenhang im Sinne der NLP-Hypothesen nachweisen. Trotzdem arbeiten NLP-Therapeuten weiterhin in der Illusion, sie können aus der Richtung, in die ein Klient blicke, quasi ablesen, wie dieser gerade denke.[4]
Ich hatte bereits das “mirroring” (auch genannt “pacing”) erwähnt. Man kopiert die Handlung des Gegenüber. Nun, auch keine guten Neuigkeiten darüber:
[…] Forschung in der Richtung des mirroring deutet darauf, dass wenn die mirroring-Hypothese einer Person während einer Session/Therapie erklärt wird, dass diese Person den Erklärenden für überzeugender hält. Jedoch; wenn die Hypothese nicht erwähnt wird, kann die Person, welche die Technik anwendet, unüberzeugend rüberkommen. Mirroring wurde sogar als ablenkend, irritierend und unklug für Kommunikationszwecke bezeichnet. [2]
Ich möchte nicht noch weiter ins Detail gehen. Aber ich denke, man sieht sehr gut, dass an NLP nicht viel dran zu sein scheint. Die Methoden die NLPler anwenden um dafür zu werben, sind mehr als zweifelhaft. Sie werden außerdem beschuldigt, sich als wissenschaftliche verkaufen zu wollen, obwohl sie es nachweislich nicht sind.
Alles was übrig bleibt, sind die Behauptungen der NLPler, dass man einfach selbst probieren solle und man werde sehen, dass es funktioniert. Das erinnert eher an Homöopathie und Astrologie, als an Wissenschaft. Der obige Text über das Mirroring sollte sogar die Erklärung nahe legen, dass es eine Art Placebo-Effekt ist. Um noch ein letztes mal Dr. Bördlein zu zitieren:
Dennoch berichten NLP-Adepten oft davon, wie hilfreich NLP für sie sei und wie sie es selbst tagtäglich als wirksam erlebten. Neben dem bekannten “confirmation bias” – der (allzu-)menschlichen Tendenz, einmal getroffene Annahmen fortlaufend zu bestätigen (Bördlein, 2000) – und einem nicht zu vernachlässigenden Selektionsfehler (enttäuschte NLP-Kunden werden keine Werber für das Verfahren) basiert diese wahrgenommene “Wirkung” von NLP-Trainings vermutlich auf einer Art Placebo-Effekt. [3]
Resultat: “Neurolinguistische Programmierung” scheint nur Pseudowissenschaft zu sein und sollte auch so behandelt werden. Social Engineerer sollten sich nicht darauf stützen.
–
Quellenverzeichnis:
[1] Übersetzung aus http://jarhe.research.glam.ac.uk/media/files/documents/2009-07-17/JARHE_V1.2_Jul09_Web_pp57-63.pdf Volume 1, Number 2, S.59 (04.06.2011 03:35)
[2] Übersetzung aus http://knol.google.com/k/neurolinguistic-programming (04.06.2011 03:46)
[3] http://www.boerdlein.gmxhome.de/nlpmemo.html (04.06.2011 03:54)
[4] http://www.nlp-direkt.at/Downloads/NLP-E.pdf (04.06.2011 02:42)
Quelle : http://41yd.de/blog/