Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat erneut Geheimdokumente veröffentlicht. Ihr verhafteter Gründer Julian Assange wurde unterdessen von Russland für den Friedensnobelpreis ins Gespräch gebracht.
Wie zum Trotz hat die Enthüllungsplattform Wikileaks nach der Festnahme des Gründers Julian Assange und ungeachtet des Drucks auf die technische Infrastruktur einen ganzen Schwung an bislang geheimen Depeschen im Internet veröffentlicht. „Wir lassen uns nicht knebeln, weder durch juristische Mittel, noch durch die Unternehmen, die Zensur durchführen. Wikileaks ist noch immer online“, erklärte Sprecher Kristinn Hrafnsson über den Kurznachrichtendienst Twitter. „Der neueste Schub an Depeschen wurde veröffentlicht und unsere Medienpartner haben ihren nächsten Satz an Geschichten ebenfalls veröffentlicht“, erklärte Hrafnsson. „Kopien der vollständigen Seite liegen an über 500 Orten verteilt. Jeden Tag werden die Depeschen über 50 Millionen mal (herunter-)geladen.“
Der 39-jährige Assange selbst verteidigte in einem in der Tageszeitung „The Australian“ veröffentlichten Beitrag die Arbeit der Enthüllungsplattform. Wikileaks sei wichtiger denn je und Menschenleben seien mit der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente nicht in Gefahr gebracht worden. Während Wikileaks vierjähriger Publikationsgeschichte seien ganze Regierungen verändert worden, aber keine einzige Person, soweit bekannt, verletzt worden, sagte Assange. Die USA hätten jedoch unter stillschweigendem Einverständnis Australiens allein in den vergangenen Monaten Tausende getötet, hieß es in dem Kommentar. Die Demokratie brauche wirkungsvolle und starke Medien, um ehrliche Regierungsführung zu ermöglichen. Dazu habe Wikileaks beigetragen.
Für Nobelpreis vorgeschlagen
Unterdessen sorgt ein überraschender Vorstoß für Assange aus dem Umfeld von Kremlchef Dmitri Medwedew in Moskau für Aufsehen. Ein Berater des russischen Staatschefs habe angeregt, Assange für den Friedensnobelpreis ins Gespräch zu bringen. „Man sollte nachdenken, wie man ihm (nach der Festnahme) helfen kann“, zitierten russische Agenturen den namentlich nicht genannten Mitarbeiter. Zwar sei die russische Staatsspitze in den von Wikileaks veröffentlichten US-Depeschen schlecht weggekommen, hieß es. Es gebe trotzdem „Sympathien“ für die Internetplattform, weil sie die USA in Erklärungsnot gebracht habe.
Kremlkritiker reagierten mit Skepsis auf den Vorstoß. „Mit einer solchen Initiative will man den USA die Sache wohl noch mehr vermiesen“, sagte der Bürgerrechtler Lew Ponomarjow. Ähnlich äußerte sich der Leiter der Menschenrechtsorganisation Memorial, Oleg Orlow. „Eine interessante Idee – aber vielleicht nur Kreml-Ironie.“
Australien stellt sich hinter Assange
Der australische Außenminister Kevin Rudd nahm Wikileaks in Schutz. Dafür, dass Hunderttausende brisante Dokumente in Umlauf gekommen seien, sei die US-Regierung verantwortlich, die ihre Geheiminformationen nicht ausreichend geschützt habe, sagte Rudd im australischen Rundfunk. Die Schuld liege bei den Informanten und nicht bei demjenigen, der die Depeschen veröffentlicht habe. Sein Land werde Assange wie jeden anderen im Ausland inhaftierten Australier unterstützen.
In Schweden wird Assange Vergewaltigung und sexuelle Belästigung von zwei Frauen vorgeworfen. Die dortigen Strafverfolgungsbehörden haben ihn deshalb international zur Fahndung ausschreiben lassen. Am Dienstagmorgen stellte sich Assange in London der Polizei. Er erklärte dem Richter im Amtsgericht von Westminster, dass er seine Auslieferung von Großbritannien nach Schweden anfechte. Seinem britischen Anwalt Mark Stephens zufolge gehen die Vorwürfe auf einen „Streit über einvernehmlichen, aber ungeschützten Geschlechtsverkehr“ zurück.
Frankreich geht gegen Wikileaks vor
Die Infrastruktur der Enthüllungsplattform geriet in der jüngsten Vergangenheit immer stärker unter Druck. Etliche Unternehmen stellten die Zusammenarbeit mit Wikileaks ein, darunter die Kreditkartenunternehmen Visa und Mastercard. Auf diese Weise dürfte es Wikileaks erschwert werden, Spenden einzusammeln. Auch verschiedene Internetdienstleister verweigerten die Zusammenarbeit. Auf Twitter finden sich unzählige Solidaritätsbekundungen für Wikileaks, und die Facebook-Seite der Plattform hat bereits über eine Million Fans.
Unterdessen ist die französische Regierung vorerst mit ihrem Vorhaben gescheitert, die Enthüllungsplattform Wikileaks vom Server einer französischen Firma zu verbannen. Das betroffene Unternehmen OVH hatte zwei Gerichte mit einer juristischen Klärung der Sachlage beauftragt. Beide Gerichte entschieden nun, dass sie mehr Zeit zur Untersuchung der technisch anspruchsvollen Angelegenheit benötigten. Zuvor hatte Industrieminister Eric Besson eine Behörde damit beauftragt zu prüfen, wie verhindert werden könne, dass Wikileaks in Frankreich online bereitgestellt wird. Wikileaks wird seit vergangener Woche von einem Server der französischen Firma betrieben.
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