Das Computerspiel „1378 (km)“ lässt einem die freie Wahl, in die Rolle eines Grenzers oder Republikflüchtlings zu schlüpfen. Trotz teils erboster Proteste plant die Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HFG) die Veröffentlichung für den 10. Dezember. Das ernsthafte Spiel will dabei kein Detail auslassen: Todesstreifen, Schießbefehl, Selbstschussanlagen und Republikflucht inklusive.
Die Leitung der HFG Karlsruhe will ihre Half-Life-2-Modifikation ab Freitag für Erwachsene ins Netz stellen. Erklärtes Ziel des Spieles ist es, die jüngeren Bundesbürger für die gesamtdeutsche Geschichte zu interessieren. Nachdem es im Herbst zu einem überaus negativen Medienecho gekommen war, obwohl keiner der Kritiker das Spiel auch nur eine Sekunde ausprobiert hatte, sagte man den Release kurzerhand ab. Die Präsentation des Spieles wird diesen Freitag von einer Podiumsdiskussion begleitet, die sich inhaltlich mit der interaktiven Zeitreise in unser aller Vergangenheit auseinander setzt.
Autor Jens M. Stober hat zuvor am bereits verfügbaren Spiel „FRONTIERS – An der Grenze Europas“ mitgewirkt. Bei Frontiers schottet ein riesiger Grenzzaun das reiche Europa von allen Wirtschaftsflüchtlingen ab, die illegal einreisen möchten. Wer die Spiele ausprobieren will, muss die Vertriebssoftware Stream auf seinem Computer installieren und sich dort einen Account einrichten.
Der Leiter des Fachbereichs Medienkunst, Michael Bielicky, gab gegenüber BNN bekannt, dass letzten Oktober alle Beteiligten von der Wucht der Reaktion überrascht worden seien. Durch die verzerrte Darstellung einiger Boulevardblätter sei die Debatte „in eine völlig falsche Richtung gelaufen„. Nachdem das Telefon beim Pressereferenten nicht mehr stillstehen wollte, sagte man den ersten Veröffentlichungstermin ab. Der Entwickler der Half-Life-2-Modifikation erhielt sogar einige „grenzwertige“ E-Mails von Personen, die meinten, die Sachlage eigenhändig kommentieren zu müssen. Verständlich ist der Aufschrei nicht. Denn auch bei Frontiers können die Spieler in der Rolle des Grenzers das Feuer auf unbewaffnete Flüchtlinge eröffnen. Allerdings wurde dieser Umstand höchst wenig von der Presse bemerkt oder gar kommentiert.
Interessant ist in dem Zusammenhang auch, dass man zwar die jüngeren Bürgerinnen und Bürger auf die Problematik der DDR-Grenze hinweisen möchte, das Spiel aber erst ab dem 18. Lebensjahr freigegeben wird. Wie also möchte man die Minderjährigen erreichen, wenn sie das Game selbst nicht herunterladen und ausprobieren dürfen?

Entweder der virtuelle Geschichtsunterricht geht am Zielpublikum vorbei. Oder aber diese werden sich die Software unter Umgehung der bestehenden Regeln besorgen müssen.
Vielen Dank an weirless für den NewsTipp!
http://www.gulli.com/news/computerspielsimuation-der-ehemaligen-ddr-grenze-bald-verf-gbar-feuer-frei-2010-12-08