Ist Brüssel derart beschäftigt mit der Rettung des Euro, dass andere Themen mittlerweile gar nicht mehr verhandelt werden können? Ist das kleine, randständige Ungarn zu unwichtig für die Agenda? Oder ist die EU einfach nicht gewappnet für Brutalpopulisten wie den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán? Das Schweigen, mit dem Europa Orbáns Politik quittiert, ist jedenfalls besorgniserregend.
Orbán macht ja, seit seine Fidesz-Partei in Koalition mit den konservativ-nationalen Christdemokraten über eine Zweidrittelmehrheit verfügt, keinen Hehl daraus, dass er entschlossen sei zum „Umbau des ganzen Landes“. Er legte dabei vom ersten Tag an ein atemberaubendes Tempo vor: Der Haushaltsrat wurde abgeschafft, das Verfassungsgericht und die Nationalbank in ihren Kompetenzen beschnitten. Das Parlament verkam zu einem Abstimmungsapparat, das Gesetze wie am Fließband verabschiedet.
Von Januar bis Ende Juni hatte Ungarn dann die EU-Ratspräsidentschaft inne und stand unter besonderer Beobachtung der europäischen Öffentlichkeit. Alle Skeptiker, die warnten, danach werde Orbán nochmal einen Zahn zulegen, sollten Recht behalten: Ungarn hatte die Präsidentschaft keine Woche vom Hals, da wurden in Budapest 550 Journalisten der staatlichen Medien entlassen. Im Herbst werden wohl nochmal 400 gekündigt.
Bislang traf es, kaum überraschend, vor allem Orbán-kritische Journalisten. Außerdem werden die staatlichen Medien in einer zentralen Nachrichtenredaktion zusammengefasst, deren politischer Chefredakteur Daniel Papp ist, ein Mann, der früher der rechtsradikalen Jobbik-Partei angehörte und beim rechtsextremen TV-Sender Echo gearbeitet hat.
Die wenigen unabhängigen Medien, die es noch gibt, werden regelrecht stranguliert: Die letzten linksliberalen Zeitungen können teilweise ihre Leute nicht mehr bezahlen, weil wie von Geisterhand die Anzeigen ausbleiben. Dazu kommt eine gefährlich schwammige Vorgabe, die Ungarns Presse zu einer „ausgewogenen Berichterstattung“ verpflichtet.
Über deren Einhaltung sitzt der sogenannte Medienrat zu Gericht, der ausnahmslos mit Fidesz-Leuten besetzt ist und dessen Vorsitzende schon vor zehn Jahren verkündete, oberstes Ziel müsse es sein, „das hundertprozentige Meinungsmonopol in den Medien zu erringen“. All das ist verankert im neuen Mediengesetz, das die EU nach kosmetischen Änderungen abnickte.
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