Das betreffende Dokument wurde bereits Ende September in einer unvollständigen Version auf dem US-Leakingportal „Cryptome“ veröffentlicht. Kurze Zeit später wurde dieselbe Version auch durch die hacktivistische Gruppe „AnonyPwnies“, eine Untergruppe des Internet-Kollektivs Anonymous, verbreitet. Die Pwnies behaupteten damals, das Dokument stamme – wie auch andere, zeitgleich veröffentlichte Dokumente – von einem unsicher konfigurierten Bundeswehr-Server, was von Kritikern allerdings in Zweifel gezogen wurde. Der AK Vorratsdatenspeicherung veröffentlichte das 39 Seiten starke, als „VS – nur für den Dienstgebrauch“ eingestufte Dokument nun erstmals im Volltext. Wie die Aktivisten an diese Version des Leitfadens gelangten, ist bislang nicht bekannt.
Das Dokument listet auf, welche Überwachungsmaßnahmen von den bayerischen Behörden bereits jetzt praktiziert werden. Zudem finden sich einige Links, Hintergrund-Informationen und Musterformulare für entsprechende Anträge.
Die Datenschutz-Aktivisten stellten folgende Liste im Dokument erwähnter und besprochener Überwachungsmaßnahmen zusammen:
- das Aufzeichnen von Telekommunikationsinhalten (z.B. Telefongespräche, SMS, E-Mails),
- die Auswertung der Speicher von Handys, Smartphones und SIM-Karten (z.B. Fotos, Telefonbücher),
- die Abfrage von Nutzerdaten, Rechnungsdaten und Verkehrsdaten bei Anbietern wie Telekom, Arcor, eBay, YouTube, Facebook und Webmail-Anbietern,
- die Identifizierung der Inhaber von Rufnummern, IP-Adressen und E-Mail-Adressen,
- die Beobachtung des Standorts von Handys und Smartphones in Echtzeit,
- die Online-Durchsuchung externen Speicherplatzes,
- der Zugriff auf E-Mail-Postfächer und die Abfrage von Mailboxen,
- die Verhinderung der Kommunikation einzelner Handynutzer oder einer gesamten Funkzelle,
- die Ermittlung, welche Mobiltelefone sich zu einer bestimmten Zeit in einer Funkzelle befunden haben (Funkzellenabfrage),
- der Zugriff auf Kommunikation in geschlossenen Internetforen und Chatrooms einschließlich Liveüberwachung,
- die Ortung von Pkw mit eingebautem SIM-Modul (z.B. BMW, Audi, Porsche, Renault, Opel),
- die Erstellung von Bewegungsbildern mithilfe „stiller SMS“,
- die Aufzeichnung verschlüsselter Internetkommunikation (VoIP) unter Verwendung von Überwachungssoftware (sog. Quellen-TKÜ),
- die Identifizierung und Überwachung von WLAN-Internetzugängen („W-LAN-Catcher“),
- die Zielwahlsuche.
Zudem wird die Möglichkeit der Abfrage von Nutzerdaten bei namhaften Internet-Unternehmen wie Google, YouTube, Skype und Microsoft besprochen. Diese soll laut Dokument „präventiv“ und „sehr schnell“ möglich sein.
Die Datenschützer kritisieren, das Dokument belege „einen fahrlässigen Umgang der Ermittler mit verfügbaren Daten und einzuhaltenden Rechtsvorschriften„. So werde häufig aus Faulheit oder aus Kostengründen mehr überwacht oder abgefragt, als für die Ermittlungen tatsächlich notwendig sei. Dies sehen die Datenschützer als Indiz dafür, dass eine Wiedereinführung der verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung weder sinnvoll noch akzeptabel wäre. Einerseits würden aufgrund von allzu ungezielter Überwachung häufig die Möglichkeiten zur Überwachung tatsächlich Verdächtiger nicht ausgenutzt, da entsprechende Kapazitäten ausgebucht seien. Andererseits zeige der allzu lasche Umgang mit den Vorgaben, die eigentlich die Rechte der Betroffenen schützen sollen, dass entsprechende Maßnahmen durch die Behörden nur allzu schnell missbraucht werden. Beides sehen die Aktivisten als Argument gegen eine Vorratsdatenspeicherung.
Der AK Vorratsdatenspeicherung fordert nun die bayerische Justizministerin Merk auf, „die dokumentierten Rechtsbrüche der Generalstaatsanwaltschaft München sofort abzustellen„.
Download : leitfaden_datenzugriff_voll
Quelle : gulli.com