Für WikiLeaks-Gründer Julian Assange begann am Vormittag des heutigen Dienstag die Berufungsverhandlung um eine eventuelle Auslieferung. Vor dem Londoner High Court findet heute der erste von voraussichtlich zwei Verhandlungstagen statt. Assange will dabei eine andere, weniger aggressive Strategie verfolgen als in der ersten Instanz.
Assange wird vorgeworfen, in Schweden mehrere Sexualdelikte begangen zu haben. Schweden verlangt daher seine Auslieferung. Assange bestreitet sämtliche Vorwürfe. Momentan steht der WikiLeaks-Gründer in der Nähe von London unter Hausarrest auf dem Anwesen eines Freundes.
Bei der ersten Gerichtsverhandlung im Februar hatten Assanges Anwälte sich äußerst negativ über das schwedische Rechtssystem geäußert und damit für einigen Unmut gesorgt. Assange stellte daher kürzlich die bekannte Menschenrechts-Anwältin Gareth Peirce sowie den auf europäische Menschenrechts-Gesetzgebung spezialisierten Ben Emmerson ein. Peirce kündigte an, vor Gericht weniger aggressiv und mit mehr Respekt gegenüber den Beteiligten vorgehen zu wollen (gulli:News berichtete).
In der heutigen Berufungsverhandlung vor dem Londoner „High Court“ gibt es zwei zuständige Richter: Lord Justice Thomas und Justice Ouseley. Die Verhandlung begann um 10.30 Uhr Ortszeit (11.30 Uhr deutscher Zeit). Gegen ein in dieser Instanz gefälltes Urteil könnte noch Berufung vor dem „Supreme Court“ eingelegt werden.
Assange betrat das Gerichtsgebäude gegen 9.15 Uhr Ortszeit (10.15 deutscher Zeit). Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Presse-Teams sowie eine kleine Anzahl von Demonstranten, die ihre Solidarität mit Assange ausdrücken wollen, eingefunden. Unter denjenigen, die Assange zur Verhandlung begleiten, sind unter anderem der investigative Journalist Vaughan Smith – bei dem Assange derzeit lebt – sowie der isländische WikiLeaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson.
Update 1 (11.49 Uhr):
Assanges Anwältin Gareth Peirce stellt momentan die Argumente ihrer Seite vor. Diese gleichen bislang dem, was schon in erster Instanz angeführt wurde. Unter anderem kritisiert sie, der für Assange ausgestellte internationale Haftbefehl habe keine faire und detaillierte Beschreibung der Vorgänge enthalten. Angesichts der Umstände sei es nicht fair, die Vorgänge als „Vergewaltigung“ zu beschreiben.
Zuvor hatte Assange-Anwalt Ben Emmerson die Vorgänge, die zu der Anklage gegen Assange führten, detailliert beschrieben. Er erklärte, Assange habe einvernehmlichen Sex mit einer der beiden Klägerinnen gehabt. Dabei sei ein Kondom gerissen. Mit der anderen Klägerin habe er Sex gehabt, als sie im Halbschlaf gewesen sei. Die Anwälte berichten von Abweichungen zwischen dem schwedischen und dem britischen Recht in Bezug auf Sexualdelikte.
Assanges Team versprach außerdem, die Ankläger nicht persönlich anzugreifen und ihre Glaubwürdigkeit nicht in Zweifel zu ziehen. Dies deckt sich mit zuvor vermuteten Aussagen zur Verteidigungs-Strategie.
Update 2 (12.11 Uhr):
Laut Assanges Verteidigern enthält der internationale Haftbefehl keine komplette Beschreibung der Vorwürfe. Zudem hätten sie nicht die komplette Akte ihres Mandanten zu Gesicht bekommen. Dies sehen sie als äußerst problematisch an.
Update 3 (12.28 Uhr):
Emmerson betont, dass schlüssig bewiesen werden muss, dass die Ereignisse in Schweden auch dann strafbar gewesen wären, wenn sie in Großbritannien stattgefunden hätten. Anderenfalls komme eine Auslieferung nicht in Frage. Es geht dabei um das Prinzip der „dual criminality“: das Assange vorgeworfene Verhalten muss sowohl nach schwedischem als auch nach britischem Recht eine Straftat darstellen.
Update 4 (12.40 Uhr):
Momentan werden durch Emmerson noch einmal die bereits aus der ersten Instanz bekannten Zeugenaussagen der beiden Klägerinnen zusammengefasst.
Update 5 (12.50 Uhr):
Emmerson geht auch auf – bisher nicht so ausführlich behandelte – Vorwürfe einer der Klägerinnen ein, Assange habe das fragliche Kondom absichtlich zerrissen. Dafür gebe es keinerlei Beweise, so der Anwalt. Das Kondom sei mikroskopisch untersucht worden und die Beschädigungen ließen keinerlei absichtliche Gewaltanwendung erkennen.
Quelle : http://www.gulli.com