Neue Details aus den Wikileaks-Papieren: Die Untersuchung von Kindesmissbrauch durch Priester hat demnach zu starken Verstimmungen zwischen dem Vatikan und Dublin geführt.
Im März 2006 hat das irische Justizministerium eine Untersuchungskommission unter dem Vorsitz der Richterin Yvonne Murphy eingesetzt. Sie sollte Beschwerden nachgehen über den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester der Erzdiözese Dublin. Die britische Zeitung The Guardian zitiert nun aus einer von Wikileaks an die Öffentlichkeit gebrachten Depesche wonach „viele im Vatikan verärgert“ waren, weil die Murphy-Kommission Informationen über Missbrauchsfälle angefordert hatte.
„Während die Vatikan-Kontakte sofort tiefes Mitgefühl für die Opfer zum Ausdruck brachten und betonten, dass die oberste Priorität das Verhindern einer Wiederholung sei, waren sie auch verärgert, wie die Situation politisch umgesetzt wurde“, führte die US-Diplomatin Julieta Noyes dem Bericht zufolge in ihrer Depesche aus. Demnach hatte die Murphy-Kommission nicht die offiziellen diplomatischen Kanäle genutzt, sondern direkt an den Vatikan geschrieben, um Informationen über den Umgang mit Missbrauchsfällen zu erhalten.
Der Vatikan habe sich auch darüber geärgert, dass die irische Regierung nicht eingeschritten sei, um bei der Murphy-Kommission auf die Nutzung der üblichen Kommunikationswege zu dringen, zitierte der Guardian aus der Depesche. Der irische Botschafter im Vatikan, Noel Fahey, sagte der Depesche zufolge, der Streit um die Murphy-Kommission sei „die schwierigste Krise gewesen, die er je bewältigt“ habe. Letztlich habe Dublin nicht auf die Bereitstellung von Informationen durch den Vatikan gedrungen.
Der Vatikan weigerte sich in einer ersten Reaktion, die Veröffentlichungen zu bewerten und rief zu Zurückhaltung bei der Beurteilung der Informationen auf. Die Depeschen drückten die Meinung derjenigen aus, die sie geschrieben haben, und dürften nicht als genaues Zitat der Aussagen der Verantwortlichen im Vatikan verstanden werden, hieß es in der Erklärung. „Ihre Glaubwürdigkeit muss mit Zurückhaltung und großer Vorsicht beurteilt werden“, schloss die Erklärung.
Der im November 2009 veröffentlichte Murphy-Bericht prangerte an, dass in Irland katholische Würdenträger jahrzehntelang Missbrauch und Misshandlungen von Minderjährigen vertuscht hatten. Insgesamt war von 14.500 Opfern die Rede. Nach der Veröffentlichung des Berichts waren unter anderem auch in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien und in Italien Missbrauchsskandale um katholische Geistliche bekannt geworden. Papst Benedikt XVI. verurteilte die Vergehen wiederholt und traf Missbrauchsopfer.
Unterdessen zitierte die New York Times aus weiteren von Wikileaks veröffentlichten Depeschen, worin US-Diplomaten ihre Sorge über „Überbleibsel anti-semitischer Einstellungen“ unter Mitarbeitern des Vatikan äußerten. Demnach hieß es in einer US-Depesche von 2002, dass ein nicht genannter älterer Mitarbeiter französischer Abstammung sich beschwert habe, dass das starke Interesse der US-Regierung am modernen europäischen Antisemitismus aus dem „exzessiven Einfluss von Juden in euren Medien und eurer Regierung“ stamme.
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-12/vatikan-irlan-wikileaks