von Evrim Sen
und Denis Moschitto
Die Szene hat sich zu einer Subkultur und zu einer bislang einzigartigen Vereinigung in der Computerwelt entwickelt. Unzählige Fans zählen sich bereits zu diesem Zusammenschluss. Selbst Firmen haben das große Potential in ihr erkannt und nutzten diese Innovationen zur
Scoopex Logo
Entwicklung von hochwertigen Computerspielen. Obwohl die Anfänge der Demoszene beim legendären Commodore 64 liegen, und sie sich mittlerweile auf nahezu jedes andere Computersystem ausgebreitet haben, hatte die Blütezeit der Demo ihren Höhepunkt auf dem Amiga und Windows-Sektor. Demos wie „Desert Dream“ von Kefrens, „Odyssey“ von Alcatraz und auch Demos der etwas neueren Generation wie z. B. „The Gate“ von Artworks wurden nicht nur in Kreise der Fangemeinde hochgelobt. Es ist eigentlich kaum verwunderlich, dass die Demo „State Of The Art“ von Spaceballs in Auszügen auf dem Musiksender MTV gezeigt wurde. Programmierer und Grafiker der Demoszene schafften vereinzelt den Schritt nach Hollywood, um bei der Erstellung von Computergrafiken für Filmproduktionen oder Musikvideos ganz vorne mitzumischen. Während sich mehr und mehr Leute den Weg zum kommerziellen Ufer bahnten und sich ihre hohen Fähigkeiten honorieren ließen, behielten sich andere vor, den Computer immer noch als eine Hobby-Maschine anzusehen. Hunderte von Demogruppen programmieren auch heute noch unzählige Demos und verbreiten sie weltweit auf allen Plattformen im Internet. Einem Laien zu erklären, was an einer Demo so besonders und faszinierend ist, fällt heute nicht mehr schwer, denn die Bilder sprechen für sich.
Doch die wenigsten kennen den wirklichen Ursprung der Demo: Dieser hat eine eher dunkle Geschichte mit einem zwielichtigen Hintergrund: Die Geschichte um die Demo beginnt in der Illegalität nämlich bei dem Cracker.
Durch den ständigen Drang, den Kopierschutz einer Originalsoftware schnellstmöglich zu cracken und über die ganze Welt zu spreaden (verbreiten), haben sich Cracker nicht nur bei Insidern einen weltweit bekannten Namen gemacht. Wer erinnert sich nicht an Gruppen wie Red Sector, Fairlight, Skid Row, Scoopex, Quartex, Spreadpoint usw. Moralische Bedenken hin oder her: Eine ganze Menge Anwender haben speziell schon einmal eine Raubkopie in Händen gehalten und sie anschließend mit Unschuldsmine ins Laufwerk geschoben. Umstritten ist deren Position allemal, jedoch nicht im entferntesten so sehr wie die der schillernden Gestalt des Crackers. Sie versuchen ihr Tun damit zu rechtfertigen, dass sie nur aus Spaß cracken und keinen richtigen Schaden anrichten. Jedoch ist auf der anderen Seite die Kritik, dass sie durch die Verbreitung von Raubkopien Softwarefirmen schaden, nicht ganz von der Hand zu weisen.
Vom Cracktro zur Demo
Tatsächlich hat die Crackerszene Raubkopien hauptsächlich aus einem Grund verbreitet: Der Spaß an der Sache. Kommerzielle Absichten sind zu jenen Zeiten nicht unbedingt die
Aus der Haujobb Demo
treibende Kraft gewesen. Zudem wollten viele auch nur zeigen, dass sie die von den Softwarefirmen als unknackbar angekündigte Software nun doch in die Knie zwingen konnten. Um auch ihren Gruppennamen zusammen mit der gecrackten Software möglichst auffallend verbreiten zu können, bauten sie zusätzlich noch einen Vorspann in die Software ein. Die sogenannten „Cracktros“, ein Begriff, der sich aus den beiden Wörtern „Crack“ und „Intro“ zusammensetzt, kann man am besten mit kleinen Demos oder Intros vergleichen. Sie hatten die einzige Aufgabe, als Werbefläche für den eigenen Gruppennamen zu dienen. Durch die Raubkopierer wurden sie damals in wenigen Tagen über die ganze Welt verbreitet – ob per „Handspreading“ (von Hand zu Hand) oder durch das Modem. So verschafften sich viele Crackergruppen eine gute Reputation in der illegalen Szene, sowie auch bei denen, die sich selbst nur als Gelegenheitskopierer bezeichneten. Dabei handelt es sich bei der Cracktro an sich um ein völlig legales Produkt, wäre da nicht noch der unangenehme Nebeneffekt, das Cracktros nicht gerade zufällig mit einer Raubkopie verknüpft sind. Eine Cracktro besteht oft nur aus kleinen Effekten mit spärlicher Chipmusik, darunter natürlich der Name der Gruppe, die das Spiel gecrackt hat. Diese kleinen Zeitzeugen der Szenegeschichte wurden von vielen Fans aus den Spielen gefiltert, und jeder kann sie heute im Internet, völlig legal, als kleine EXE-Dateien beziehen.
Aus der Haujobb Demo
Als später einige illegale Szeneprogrammierer merkten, dass sie mehr Zeit in die Entwicklung ihrer Intros als ins Cracken des eigentlichen Spiels investierten, nahm ein unaufhaltsamer Wandel seinen Lauf: Die Coder teilten sich innerhalb ihrer Gruppen auf und begannen nur noch auf legalem Wege vorerst kleinere Intros zu programmieren und zu verbreiten. Als diese einen bestimmten Beliebtheitsgrad bei den Zuschauern erlangten, entschlossen sich viele illegale Crackergruppen eine separate legale Demosektion zu gründen. So findet man auch heute noch Szenegrößen, deren Popularität in der Demoszene eigentlich aus einer langen illegalen Zeit resultierte. Ein gutes Beispiel für eine positive Wandlung wäre hier die einst illegale Crackergruppe Scoopex, eine Gruppe, die heute mit faszinierenden Demos verblüfft und sich im Laufe der Jahre völlig vom illegalen Treiben distanziert hat. Aber auch Gruppen wie Rebels und TRSI sind bekannt geworden, als sie neben ihrer Hauptbeschäftigung, Spiele zu cracken, plötzlich anfingen, bahnbrechende Demos zu publizieren.
Legends never die
Wenn man sich die Entwicklung alter Crackergruppen anschaut, wird man oft durch pure Innovation verblüfft. Bei der Fairlight-Webpage wird man mit einem alten Cracktro auf
Cracktro von Fairlight
dem Browser und dem bekannten Spruch „Legends never die“ begrüßt und prompt auf die legalen Demo- und Intro-Produktionen hingewiesen. Auch die altbekannte Crackergruppe Paradox, die heute nicht mehr aktiv ist, versucht auf ihrer Homepage alte Erinnerungen wachzurufen und kritisiert auf diesem Wege noch die Spielkonsolengeneration. Andere Gruppen scheinen aber völlig von der Bildfläche verschwunden zu sein, so zum Beispiel die Gruppe Skid Row: Obwohl ehemalige Mitglieder der ebenfalls bekannten Crackergruppe Paranoimia (bekannt aus dem Crack zu „Panza Kickboxing“) damals zu Skid Row überliefen, um diese mit einigen Cracks zu stärken, starb die Gruppe schon Ende des Jahres 1993 aufgrund Unstimmigkeiten und ihrer Unbeliebtheit in der Szene. Viele Szenelegenden hörten aber auch bewusst mit dem illegalen Treiben auf, wie z. B. die Gruppe Unit-A, die sich mit dem wohl bekanntesten Crack zu dem Spiel „lnterceptor“ (ihrem 43. Spielcrack) von der Szene verabschiedete.
Auszug aus einer Demo
Wenn man sich die heutigen Demogruppen, die nun nur noch Demos programmieren, genauer ansieht, kann man deutlich erkennen, dass die Schere zwischen Democodern und Softwarecrackern weiter denn je geöffnet ist. So nabelten viele Gruppen ihre beiden Sektionen langsam aber sicher völlig voneinander ab. Die Gruppe TRSI (Tristar and Red Sector Incorperated) beispielsweise wurde mit „Red Sector’s Megademo“ auf derart berühmt, dass ihr Name als Demogruppe eine weitaus größere Runde machte als ihre Cracks. Bereits auf dem legendären Commodore 64 unter dem Namen Red Sector bekannt, geht TRSI heute als eine der größten Szenegruppen der Welt mehrere Wege: Auf der einen Seite mischen ehemalige TRSI-Mitglieder mit einer langwierigen Erfahrung in der Crackerszene tief in der organisierten Computerkriminalität mit, auf der anderen Seite gibt es die offizielle Demogruppe TRSI, die ständig die Audience mit Demos und Intros versorgt. Die Grenzen zwischen legal und illegal werden hier also ganz deutlich voneinander getrennt.
Durch den kommerziellen Eifer einiger Szenegruppen sehen viele alteingesessene Scener die Gefahr, dass der ursprüngliche Szenegeist verloren geht. Mittlerweile versucht auch Melon Dezign, die ständig mit einem außergewöhnlich spritzigen Design überraschten, mit einer animierten Homepage ihre Innovationen auf dem ständig wachsenden Markt zu vermarkten. Andere Demogruppen belassen die Demo stets im Hobbybereich und sehen sich selbst als Idealisten in der Szene – Gruppen wie Abyss, Virtual Dreams und Haujobb sind das beste Beispiel. Dabei hat sich Virtual Dreams von ihrer ursprünglichen Gruppe in eine legale Sektion abspalten können, ohne denselben Namen mitzuschleppen. So war Virtual Dreams auch ein Teil von der damals wie heute noch illegal agierenden Gruppe Fairlight, dessen Slogan unvergessen bleibt: When Dreams Come True …
von Evrim Sen
und Denis Moschitto