Die Manager des sozialen Netzwerks Facebook beweisen einmal mehr, wie sehr die Nutzer unter ihrer Kontrolle stehen. Joe Sullivan, Facebooks Sicherheitschef, berichtete gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters von einem Fall aus dem US-Bundestaat Florida: Ein 30-jähriger Mann hatte eine 13-Jährige über das Netzwerk angesprochen, mit ihr über Sex gechattet. Und sich mit ihr nach Schulschluss verabredet.
Was der Mann nicht wusste: Facebook nutzt laut Sullivan seit einiger Zeit eine Software, die sämtliche Nachrichten und Chats auf den eigenen Servern in Echtzeit auf sexuelle oder anderweitig potenziell illegale Inhalte untersucht. Fallen genügend Schlüsselwörter, schlägt der digitale Sittenwächter Alarm. Dann weist er menschliche Überwacher auf diese Inhalte hin.
Die entscheiden daraufhin, wie weiter vorgegangen wird. In dem aktuellen Fall warnte die Polizei die Eltern des Mädchens, übernahm die Kontrolle über dessen Facebook-Account und nahm den Mann fest, als der zum arrangierten Treffen erschien.
Sullivan erläuterte, dass die Facebook-Software auch das soziale Umfeld der Chattenden analysiert. Dann schlägt sie Alarm, wenn zuvor kein Kontakt bestand, wenn der Altersunterschied groß ist, wenn keine gemeinsamen Freunde existieren.
Die an dem Fall beteiligten Beamten in Florida lobten Facebooks Vorgehen, wiesen jedoch auch auf eine hohe Dunkelziffer hin – und forderten eine bessere Überwachung.
Damit zeigen sie deutlich, in welchem Dilemma Facebook steckt: Einerseits sollen Kinder und Jugendliche im Netz vor Übergriffen und Manipulation durch Erwachsene geschützt sein. Bislang ist Facebook offiziell erst für Nutzer ab 13 Jahren geöffnet, doch Facebook-Chef Mark Zuckerberg sinnierte erst vor wenigen Wochen laut darüber nach, auch für Kinder unter 13 einen Zugang zu schaffen. Das dürfte ihm nur gelingen, wenn er besorgte Eltern und Behörden mit Hinweisen auf seine Filter beruhigen kann.
Erwachsene Nutzer jedoch dürften wenig begeistert davon sein, dass Facebook alle Chats und Nachrichten im Netzwerk automatisiert durchsucht – de facto sind damit alle Big-Brother-Dystopien erfüllt.
Deutsche Justiz hat das Nachsehen
Gerade junge Menschen dürfte die Aussicht, dass Facebook auch die private Kommunikation etwa mit dem Partner mitliest, aus dem Netzwerk vertreiben. Auch deswegen ist Facebook nicht daran interessiert, dass allzuviel über seine Scan-Technologie bekannt wird. Und berichtet deswegen auch nur sehr zögerlich darüber.
Das Netzwerk übernimmt selbst die Rolle des Polizisten auf seinen Servern, die echte Justiz dagegen hat bislang zumindest in Deutschland das Nachsehen. Als ein Jugendrichter in Reutlingen im Februar Einblick in einen Facebook-Account verlangte, wurde er von Facebook an die Behörden in Irland verwiesen. Dort stehen Facebooks Serverzentren für Europa.
Dessen ungeachtet will die deutsche Justiz ihre Fahndungsaktivitäten auf Facebook ausbauen. Der Chef der Justizministerkonferenz, Jörg-Uwe Hahn, sagte Anfang Juni, man habe diesbezüglich bereits Gespräche mit Facebook aufgenommen. Bis zum Herbst wolle man gemeinsam eine Lösung erarbeiten.
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