In seiner Mitteilung zu dem neuen Release erklärt WikiLeaks, man beginne heute die Veröffentlichung von „hunderten“ von Dokumenten von 160 Vertragsunternehmen der Geheimdienste, die Technik und Software zur Massen-Überwachung bereitstellen. Dabei arbeitet man unter anderem mit der Datenschutz-Organisation „Privacy International“ sowie mit sechs Medienpartnern aus verschiedenen Ländern, darunter dem öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehsender ARD, zusammen. Zunächst veröffentlichte man 297 Dokumente des neuen Leaks. Es sollen aber in den nächsten Wochen weitere Veröffentlichungen folgen.
WikiLeaks bezeichnet die Überwachungs-Industrie als „Geheimindustrie“, die seit dem 11. September 2001 einen Boom erlebt habe. Das Projekt berichtet, die Unternehmen hätten ihren Sitz in den technisch höchstentwickelten Ländern der Welt und verkauften ihre Produkte in alle Welt. Die Industrie werde praktisch nicht reguliert oder kontrolliert. „Geheimdienste, Streitkräfte und Polizeibehörden können leise, und in Masse, und heimlich, Anrufe abfangen und Computer übernehmen, ohne dass die Telekommunikations-Provider dabei helfen oder bescheid wissen,“ erklärt WikiLeaks.
Ein Teil der Technologie werde in autoritäre Regimes verkauft, berichtet WikiLeaks. Dies sei jedoch nicht das einzige Problem: auch die Geheimdienste westlicher Staaten würden derartige Technologie in großem Umfang einkaufen. In den letzten Jahren hätten es sich diese Dienste zur Gewohnheit gemacht, massenhaft Leute abzuhören, ohne einen großen Unterschied zwischen tatsächlich verdächtigen und anderen Personen zu machen.
WikiLeaks berichtet von den verschiedensten Technologien, die angeboten werden. Erwähnt werden etwa Software für das Abhören von Telefonaten oder das Verschicken „stiller SMS“ mit Ortungsimpulsen, „Staatstrojaner“, Sprachanalyse-Systeme zur Auswertung abgehörter Telefonate, GPS-Tracking-Systeme sowie Data-Mining-Software für verschiedene Zwecke. In Deutschland gibt es laut WikiLeaks insgesamt 15 Unternehmen, die derartige Technologie anbieten.
„In aller Welt helfen Massen-Überwachungs-Unternehmen Geheimdiensten, Individuen und ‚interessante Gemeinschaften‘ in industriellem Maßstab auszuspionieren,“ urteilt WikiLeaks und wirft den Unternehmen vor, sie würden „Milliarden damit verdienen, hochentwickelte Überwachungs-Tools an Regierungskunden zu verkaufen, Export-Regeln zu umgehen und in die andere Richtung schauen, wenn diktatorische Regimes die Menschenrechte verletzen.“
Kurz nach der Veröffentlichung des ersten Teils der „Spy Files“ gibt es allerdings auch schon Kritik am neuen Leak. Der Journalist Adrian Chen vom Technologie-Magazin Gawker erklärt, der Leak würde keinerlei brisantes oder neues Material beinhalten. Chen erklärt, viele der veröffentlichten Dokumente seien frei im Internet zugänglich und würden oftmals sogar auf den Websites der betreffenden Unternehmen zur Verfügung gestellt. Andere Dokumente seien bereits anderenorts geleakt worden und seit Monaten bekannt. Einen Teil habe die Zeitung „Wall Street Journal“ vor kurzem bereits in einer Reportage analysiert. Es sei zwar möglich, dass WikiLeaks lediglich die besten Dokumente für später aufhebe, er glaube dies aber nicht, so Chen.
Gulli:News wird den von Chen erhobenen Vorwürfen nachgehen und auch andere Aspekte des Leaks untersuchen.
www.gulli.com/news/17610-wikileaks-veroeffentlicht-dokumente-der-ueberwachungs-industrie-2011-12-01