Ministerpräsident Naoto Kan spricht Volk Mut zu
Der Kampf gegen den drohenden Super-GAU geht weiter: Um den massiven Austritt radioaktiver Strahlen zu verhindern, könnte das japanische Atomkraftwerk Fukushima unter einem Berg aus Sand und Beton begraben werden.Die Methode, die bereits 1986 beim Störfall in Tschernobyl zum Tragen kam, sei ein letzter Ausweg, teilten Ingenieure des Betreibers Tepco am Freitag mit. Derzeit werde aber alles daran gesetzt, einen Super-GAU durch die Kühlung der Reaktoren noch zu verhindern.
Am Katastrophen-AKW Fukushima sind am Freitag fast 140 Feuerwehrleute aus Tokio zum Einsatz gekommen. Sie verbrauchten 50 Tonnen Wasser, um eine Kernschmelze im havarierten Reaktor 3 zu verhindern. Von diesem Reaktor geht die größte Gefahr aus, weil zu seinem atomarem Brennstoff auch das hochgiftige und krebserregende Plutonium gehört. Ein weiteres Problem stellen alte Brennstäbe des Reaktors 4 dar, die noch in einem Abklingbecken gekühlt werden müssen. Unklar ist, ob die Brennstäbe bereits trocken liegen.
Stromleitung bis Samstag?
Die Techniker arbeiten auch noch mit Hochdruck daran, eine Starkstromleitung zu zwei der sechs Reaktoren zu verlegen. Mit der neuen Energieversorgung könnten die Wasserpumpen zur Kühlung der überhitzten Brennstäbe eventuell wieder gestartet werden. Der Strom zu den Unglücksreaktoren 1 und 2 könnte bis Samstag wieder fließen, erklärte die Atomaufsicht.
Einen Tag später könnten auch die Reaktoren 3 und 4 wieder mit Elektrizität versorgt sein. Allerdings war unklar, ob die Wasserpumpen nicht durch das Erdbeben, den Tsunami und die späteren Explosionen im AKW beschädigt wurden. Der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Yukiya Amano, sprach beim Kampf gegen einen drohenden Super-GAU von einem „Wettlauf gegen die Zeit“. Er ließ sich am Freitag von Ministerpräsident Naoto Kan über die Situation informieren.
Tepco: Strahlung leicht zurückgegangen
Einen geplanten zweiten Einsatz der Armee-Helikopter soll es heute nicht mehr geben. Nach dem Manöver vom Vortag sei die Intensität der radioaktiven Strahlung leicht zurückgegangen, berichten der japanische Fernsehsender NHK und die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf den Akw-Betreiber Tepco.
Regierungssprecher Yukio Edano erklärte, die am Akw gemessene radioaktive Strahlung sei derzeit nicht so stark, dass sie direkte Gesundheitsschäden hervorrufe. Die Messungen sollten jedoch ausgeweitet werden. „Wir wollen die Beobachtungen in der Umgebung erhöhen für weitere Analysen.“ Edano nannte einen Radius von 30 Kilometern. Sichtlich bewegt hat der japanische Ministerpräsident Naoto Kan seiner Bevölkerung im Fernsehen Mut zugesprochen. Japan stehe vor der größten Krise der Nachkriegszeit, werde diese aber „überwinden und sich erholen“, sagte er am Freitagabend (Ortszeit).
500.000 Menschen obdachlos
Die Folgen von Erdbeben und Wasserwalze, die steigende Atom-Gefahr sowie Eiseskälte setzen den obdachlosen Japanern immer heftiger zu. In Turnhallen ohne Heizung kauern Menschen eng aneinander, um sich gegenseitig Wärme zu spenden. TV-Bilder aus dem stark zerstörten Nordosten zeigten frierende Menschen, die Holz oder ähnlichen Brennstoff in Tonnen verfeuerten. Etwa eine halbe Million Menschen soll derzeit obdachlos sein.
Derweil kehrt in einige Regionen im Nordosten langsam etwas Normalität zurück. In einer Einkaufsstraße in Sendai öffneten fast alle Geschäfte wieder, berichtete Kyodo. Auch Läden in Tome boten den Kunden das Nötigste, nachdem die Stromversorgung wieder aufgebaut worden war. Zerstörte Straßen, Flughäfen und Häfen seien wieder soweit intakt, dass Rettungskräfte in die Katastrophengebiete vordringen sowie Flugzeuge und Helikopter starten und landen können. Rund 90.000 Helfer sind im Einsatz.
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