Ein britisches Gericht hat die Entscheidung über eine Auslieferung von WikiLeaks-Gründer Assange an Schweden auf Freitag vertagt. Während der zweitägigen Anhörung lieferten sich die Prozessparteien heftige Redeschlachten. Die Assange-Anwälte gingen mit der schwedischen Justiz hart ins Gericht.
Von Stephan Lochner, SWR-Hörfunkstudio London
Der Richter braucht mehr Zeit. Er hat den nächsten Anhörungstermin im Fall Julian Assange für Freitag angesetzt. Dann soll das Magistratsgericht von Belmarsh noch mal einen halben Tag lang über die Frage der Auslieferung verhandeln. Dass das Verfahren recht schleppend voran kommt, hat auch damit zu tun, dass das Gericht eine Reihe von Zeugen aus Schweden vernimmt. Da die meisten von ihnen auf Schwedisch aussagen, müssen Dolmetscher übersetzen. Das kostet Zeit.
Die beiden Prozess-Parteien, das Anwaltsteam von Assange und die Vertreter der schwedischen Seite lieferten sich vor Gericht heftige Redeschlachten. Und nach der Verhandlung ging es vor dem Gerichtsgebäude weiter. Assange-Anwalt Mark Stephens wetterte gegen Marianne Ny, die schwedische Staatsanwältin, die die Auslieferung des Wikileaks-Gründers beantragt hatte.
„Wie Hamlet ohne die Prinzessin“
Stephens kritisierte scharf, dass sich Ny in London von einer britischen Kollegin vertreten lässt. „Das war heute wie Hamlet ohne die Prinzessin“, rief er in die Mikrofone – um dann richtig in Rage zu geraten. „Wir haben es mit einer Staatsanwältin zu tun, die es fertig gebracht hat, Medien mit vertraulichen Informationen zu versorgen, die es aber nicht fertig bringt, sich einer Befragung zu stellen. Weil sie weiß, dass sie dem nicht standhalten kann. Ich fordere Sie auf, Marianne Ny: Kommen Sie am Freitag nach London und stellen Sie sich dem Verhör“, verlangte Stephens.
Auch Assange selbst meldete sich kurz zu Wort. Er forderte die schwedische Staatsanwältin auf, die gegen ihn erhobenen Sex-Vorwürfe persönlich zu erläutern. Schon aus Gründen der Fairness. „Wo bitte gibt es in diesem Fall Waffengleichheit? Es gibt keine Gleichheit. Stattdessen sehen wir, dass Schweden und Großbritannien praktisch grenzenlose Mittel in diese Angelegenheit stecken, während mein Budget sehr begrenzt ist.“
Schwedische Justiz im schlechten Licht
Doch ganz so unterlegen, wie es der WikiLeaks-Gründer darstellte, sah die Assange-Partei im Auslieferungsverfahren bislang gar nicht aus. Im Gegenteil: Die Aussagen mehrerer schwedischer Top-Juristen werfen ein schlechtes Licht auf das Vorgehen der Stockholmer Staatsanwaltschaft im Fall Assange. Ein schwedischer Ex-Oberstaatsanwalt kritisierte beispielsweise, dass die Ermittler den Namen von Julian Assange öffentlich machten. Das sei in Schweden bei Sexualdelikten nicht üblich – und komme einer Vorverurteilung gleich. Die Argumente der schwedischen Seite wirkten dagegen bislang recht schwach.
Assange soll in Schweden mit zwei Frauen einvernehmlichen Sex gehabt, aber gegen ihren Willen kein Kondom benutzt haben. Die schwedische Staatsanwaltschaft wertet das als sexuelle Nötigung – und in einem Fall sogar als Vergewaltigung. Assange beteuert seine Unschuld. Er sieht sich als Opfer einer politisch motivierten Kampagne. Der Rechtsstreit dürfte sich noch Monate hinziehen und noch so manche Instanz beschäftigen.
ard.de