Das Leben auf der Erde besteht aus sechs chemischen Elementen – jetzt haben Nasa-Forscher ein Bakterium entdeckt, das mit einem siebten umgehen kann: dem giftigen Halbmetall Arsen. Der Fund ist eine Sensation, er verändert die Vorstellung vom irdischen und außerirdischen Leben.
Es kommt eher selten vor, dass ein wissenschaftlicher Fachartikel bereits vor seiner Veröffentlichung hohe Wellen schlägt. Wenn dann die Nasa noch eigens eine Pressekonferenz zum Thema ankündigt, in der es heißt, man werde „eine astrobiologische Entdeckung vorstellen, die die Suche nach außerirdischem Leben beeinflussen wird“, ist die Aufregung groß.
Astrobiologin Felisa Wolfe-Simon und ihre Kollegen präsentieren im Wissenschaftsmagazin „Science“ zwar kein Alien, aber tatsächlich eine wissenschaftliche Sensation: ein Bakterium, das einen der sechs chemischen Grundbausteine des Lebens durch eine giftige Substanz ersetzen kann – Arsen.
Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel und Phosphor – das sind die Elemente, aus denen organisches Leben auf der Erde aufgebaut ist. Jedes Lebewesen auf der Erde existiert auf der gleichen chemischen Basis: von der exotischen Mikrobe, die in der lichtlosen Tiefsee an einer ultraheißen Quelle von Schwefelverbindungen lebt, bis hin zum Menschen.
Dass die Grundsubstanzen ersetzbar sind, war bisher nur eine Theorie einiger Astrobiologen. Jetzt haben sie das durch die Existenz der Mikrobe „GFAJ-1“ bestätigt und damit ein biologisches Dogma umgeworfen. Lehrbücher müssten nun umgeschrieben werden, sagte Studienleiterin Wolfe-Simon auf der Nasa-Pressekonferenz. Für Experten sei es deshalb eine geradezu „schockierende Entdeckung“, ergänzte James Elser von der Arizona State University.
Gift im Erbgut
Es sind zwar schon Bakterien bekannt, die mit dem giftigen Halbmetall Arsen zurechtkommen. Doch die jetzt beschriebenen Mikroorganismen halten es nicht nur aus – sie bauen es sogar in die Moleküle ein, aus denen sie bestehen und nutzen es, um zu wachsen. Phosphor und Arsen sind sich chemisch ähnlich. Die Ähnlichkeit macht Arsen so gefährlich, denn sie führt dazu, dass das Gift problemlos seinen Weg in Körperorgane und Zellen findet. Verbindungen des Halbmetalls, so genannte Arsenate, werden im Körper eingebaut – sie stören aber später den Stoffwechsel.
Das nun untersuchte Bakterium aus der Familie der Halomonadaceae dagegen kann offensichtlich auch überleben, wenn es Arsenverbindungen in Eiweiße, Fette und sogar ins Erbgutmolekül DNA integriert hat. Felisa Wolfe-Simon vom Astrobiologischen Institut haben „GFAJ-1“ im Schlamm des kalifornischen Mono Lake entdeckt, eines Salzsees, in dem hohe Arsenkonzentrationen herrschen. Aus dort entnommenen Proben haben sie im Labor Bakterienkulturen gezüchtet – unter steter Zugabe von Arsen und Phosphor.
Auf anderen Planeten
Es zeigte sich, dass das Bakterium beide Substanzen gleichermaßen nutzen konnte. Die Fähigkeit mache die Bakterie zu etwas ganz Besonderem, meint der erfahrene Astrobiologe Paul Davies, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Allerdings handelt es sich nicht um eine gänzlich fremdartige Lebensform, die einen anderen Ursprung hat als das uns bisher bekannte Leben.“ Eine Bakterie zu entdecken, die überhaupt keine Phosphorverbindungen mehr enthalte, sei jetzt ein neues Ziel.
Dennoch präsentieren die Forscher die Mikrobe als Sensation: „Wenn ein Wesen unseres eigenen Planeten schon so etwas Unerwartetes tun kann, wirft das ein neues Licht auf die Möglichkeiten des Lebens generell“, sagt Studienleiterin Wolfe-Simon. Ihre Entdeckung wird auch die Suche nach Leben jenseits der Erde verändern.
„Ein Grundprinzip bei der Erforschung von möglichem Leben außerhalb der Erde war es, uns an die Verfügbarkeit der vermeintlichen sechs Lebens-Elemente zu halten“, sagt Ariel Anbar von der Arizona State University in Tempe, ein weiterer Co-Autor der Studie. „Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass wir auch diesbezüglich weiterdenken müssen: Das Leben kann sogar auf unserem Planeten ganz anders sein, als wir es bisher kannten.“
Es scheint also gut möglich, dass es auch in der angeblich lebensfeindlichen Umwelt anderer Planeten Leben gibt.
Quelle : http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,732542,00.html