Paris – Die französische Regierung ist vorerst mit ihrem Vorhaben gescheitert, die Enthüllungsplattform Wikileaks vom Server einer französischen Firma zu verbannen. Das betroffene Unternehmen OVH hatte zwei Gerichte mit einer juristischen Klärung der Sachlage beauftragt. Beide Gerichte entschieden nun, dass sie mehr Zeit zur Untersuchung der technisch anspruchsvollen Angelegenheit benötigten.
Zuvor hatte Industrieminister Eric Besson eine Behörde damit beauftragt zu prüfen, wie verhindert werden könne, dass Wikileaks in Frankreich online bereitgestellt wird. Wikileaks wird seit vergangener Woche von einem Server der französischen Firma betrieben.
Eine Verbannung von WikiLeaks von französischen Servern hätte für die dortige Regierung politischen Signalcharakter, ansonsten aber kaum noch Relevanz: Die Organisation ist längst nicht mehr auf eine einzelne Domain angewiesen. Ihre Informationen liegen auf immer mehr Abbildern des WikiLeaks-Servers, so genannten Mirror-Sites gespeichert.
Schätzungen zufolge gibt es aktuell zwischen 500 und 1000 davon, verteilt über die ganze Welt – stündlich verschwinden einige, zugleich kommen neue hinzu. Für eine „Streichung“ all dieser Kopien gibt es weder technische, noch politische Möglichkeiten: Das würde ein koordiniertes zeitgleiches Vorgehen in zahlreichen Nationen erfordern.
Die rechtlichen Voraussetzungen dafür dürften in vielen Ländern nicht vorliegen. Formell ist durchaus strittig, ob sich WikiLeaks mit der Veröffentlichung von Geheimmaterialien in den letzten vier Jahren überhaupt etwas hat zuschulden kommen lassen. Gesammelt oder entwendet wurden all diese Materialien nicht von WikiLeaks, sondern von Dritten – meist wohl Insidern aus den Unternehmen und Behörden, aus denen die Dokumente stammen. WikiLeaks fungiert nur als Veröffentlichungsplattform für diese Informationen.
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